Der Betriebsrat als Lösungsinstrument
Betriebsräte haben mit einem schlechten Ruf zu kämpfen, insbesondere auf Seiten der Arbeitgeber. Dabei können die Arbeitnehmervertreter wichtige, innovative Multiplikatoren sein. Die Rolle als Verhinderer, die ihnen häufig zugesprochen wird, entspricht nicht unbedingt der Realität.
Gut zu sehen ist das am Beispiel eines DAX-notierten Unternehmens, mit dem wir im Rahmen des Kulturwandel-Projektes in Kontakt standen. Ein neu eingesetzter CEO hatte dort eine Lean-Strategie umgesetzt, die nachweislich negative Folgen für das Betriebsklima hatte. Auch gut funktionierende Abteilungen mussten sich der neuen Strategie beugen. In der Folge fühlten sich Mitarbeiter stark in ihrer Handlungsautonomie beschnitten.
Sie empfanden deutlich weniger Selbstwirksamkeit – die beabsichtigten „Optimierungen“ durch die neuen Lean-Standards hatte beim Betriebsklima eine gegenteilige Wirkung nach sich gezogen.Verschlechterung zeigte sich von Abteilung zu Abteilung unterschiedlich stark, aber doch drastisch im unternehmensinternen Stimmungsbild. Eine Team-Umfrage im Kontext des betrieblichen Gesundheitsmanagements ergab, dass von 60 Abteilungs-Mitgliedern nur 11 % zufrieden mit dem Abteilungsklima waren. Das Management reagierte auf diesen desaströsen Wert mit Coachings für Abteilungsleiter und direkte Vorgesetzte. Das Team selbst erhielt ein Training, um die Lage zu verbessern. Ein positiver Effekt war jedoch nur kurzfristig sichtbar. Nach wenigen Wochen wurde das gefühlte Abteilungsklima wieder als schlecht bewertet.
Die Trainings hatten offensichtlich das Kernproblem nicht behoben. Die Abteilung litt nach Umsetzung der Lean-Strategie unter fehlender Selbstwirksamkeit. Die vorgegebenen Arbeitsabläufe hatten den Mitarbeitern das eigene Handlungs-, Kreativitäts- und Entscheidungspotenzial beschnitten. Während das Team in den Jahren zuvor gewohnt war, fachliche und zwischenmenschliche Probleme überwiegend aus eigenen Überlegungen heraus zu lösen, war nun die vom Management oktroyierte Strategie maßgeblich. Fachliche Problemlösung aus dem Team heraus war fast unmöglich geworden – und mit dieser Entwicklung litt die Fähigkeit zur zwischenmenschlichen Problemlösung und die generelle Freude an der täglichen Arbeit.
Zwei Betriebsratsmitglieder nahmen daraufhin eigeninitiativ Kontakt zur betrieblichen Sozialberatung auf. Sie wollten aus der Abteilung selbst heraus einen Prozess in Gang bringen, der die Stimmung nachhaltig verbessern sollte. Der tragende Gedanke hierbei war, dass Lösungen nicht von Aussen vorgegeben werden können, sondern aus dem System selbst heraus erarbeitet werden müssen.
Die zur Abteilung gehörenden Betriebsratsmitglieder erarbeiteten eine Lösungsstrategie. Ihre Vorschläge stießen zu Beginn jedoch auf viel Widerstand. Weder das Team, noch der Abteilungsleiter und die direkten Vorgesetzten, noch der Standortbetriebsrat glaubten nach den frustrierenden Arbeitserfahrungen noch daran, dass der feststeckende Karren wieder bewegt werden könnte. Lediglich der Produktionsleiter am Standort hatte ein offenes Ohr. Er erlaubte, die Lösungsstrategie mit einer Pilotgruppe umzusetzen.
Die vom Betriebsrats-Team erdachten Methoden waren simpel und leicht anwendbar. Der Pilotgruppe, bestehend aus Teammitgliedern und Vorgesetzten, wurde eine Mischung aus Transaktionsanalyse und Fragmente der lösungsfokussierten Kurzzeit-Therapie vermittelt. Doch auch einfache Rezepte helfen. Bereits nach kurzer Zeit stellten sich erste positive Erfahrungen ein. Abteilungsleiter und Vorgesetze merkten, dass sich in der Pilotgruppe der Wind zu drehen begann. Die Mitarbeiter entdecken ihre lang unterdrückten Problemlösungspotentiale wieder und begannen, wieder verstärkt miteinander und zu den Vorgesetzten hin in Kontakt zu treten. Durch die neu erlernten Methoden fand die Gruppe eine gemeinsame Sprache und damit ein tieferes Verständnis für den Anderen. Das stärkte das Teamgefühl ebenso wie die gemeinsame Lösungskompetenz.
Wir finden das Projekt dieses Dax-Konzerns beispielhaft. Ein Betriebsrat hat proaktiv eine Herausforderung gelöst, die seitens des Managements nicht verändert werden konnte. Weder das Management, noch die vom Management beauftragten externen Trainer hatten das ausreichende Vertrauen der Mitarbeiter, glaubwürdig weitere Veränderungsprozesse in Gang zu bringen. Deshalb hat der Betriebsrat als „ehrlicher Makler“ seine entscheidende Rolle erkannt. Sein Engagement hat die Lage der Arbeitnehmer, aber auch die des Arbeitgebers spürbar verbessert.